Jonathan, 29 Jahre, Sozialarbeiter Heilpädagogische Intensivwohngruppe eines freien Trägers der Jugendhilfe in Dresden


Wie sieht Dein (Arbeits-)Alltag momentan aus und was hat sich verändert?

Ich arbeite als Sozialarbeiter in einer heilpädagogischen Intensivwohngruppe mit vier männlichen Jugendlichen  zwischen 11 und 13. Da die Schulen geschlossen sind und Beurlaubungen zu den Eltern oder gar das Verlassen des  Grundstücks per Dekret durch das Jugendamt verboten ist, muss eine 24h-Betreuung gewährleistet werden.
Regulär werden die Jugendlichen am Tag von zwei Fachkräften, und einem separaten Nachtdienst betreut. Zur Zeit werden Einzeldienste über 24h durchgeführt. Die Schulen schicken wöchentlich Aufgaben zu, die mit den Jugendlichen erledigt werden müssen.


Wie erlebst Du den Umgang  mit den Bewohner*innen in der momentanen Lage?

Aufgrund der veränderten Betreuungssituation ist es häufig schwierig, den Bedarfen der Bewohnenden gerecht zu werden.
Darüber hinaus ist es bezeichnend, dass die ohnehin schon unterprivilegierten Jugendlichen in der momentanen Lage “weggesperrt” werden, ihnen das Recht genommen wird mit Mitgliedern ihres Hausstandes das Grundstück zu verlassen, wie das zu jeder Zeit des Lockdowns möglich war. Entsprechende Krisensituationen haben die MitarbeiterInnen abzufedern.


Was wünscht Du Dir aktuell? Könnte etwas besser laufen?

Während andere Einrichtungen des Trägers (z.B. Kitas) schließen, und das entsprechende Fachpersonal nicht mehr arbeiten kann, entsteht in Wohngruppen Mehrarbeit. Demzufolge wäre es wünschenswert, wenn freiwerdende Personalressourcen in WGs genutzt würden, natürlich unter Einhaltung der Schutzvorschriften. So könnten z.B. die Schulaufgaben, Haushaltstätigkeiten ausreichend wahrgenommen werden. Weiterhin wäre es wünschenswert, wenn die Bewohnenden der WG das Gelände entsprechend der Ausgangsregelung verlassen dürften.


Fehlt es an etwas? Was sind gerade die größten Probleme?

Wie bereits erwähnt, fehlt geeignetes Personal für Intensivwohngruppen. Das ist auch schon vor dem Lockdown der Fall gewesen, wird allerdings in der momentanen Lage zum noch größeren Problem. Die Unmöglichkeit des Verlassens des Geländes
und einem damit erheblich eingeschränkten Aktionsradius und das Verbot von Beurlaubungen zu den Eltern sind für die Bewohnenden die größten Probleme. Die Folgen sind “Lagerkoller” in Form von Konflikten unter den Bewohnenden, Langeweile,
depressive Episoden.

 


Machst Du Dir Sorgen im Arbeitsalltag oder bezogen auf die Zukunft?

In der aktuellen Situation haben alle MitarbeiterInnen mehr zu leisten. Darüber hinaus fallen sämtliche Unterstützungsangebote außerhalb der WG weg. Dadurch kosten die Hilfen das Jugendamt aktuell deutlich weniger.
Meine Sorge ist, dass gerade im Intensivbereich auch zukünftig Unterstützungsangebote eingespart werden.


Hast Du Forderungen oder Ideen für die Jugendhilfe nach Corona? Was sollte sich langfristig ändern?

Die Arbeit in der Jugendhilfe muss für Studierende sozialer Arbeit und ErzieherInnen attraktiver werden. Dies kann erreicht werden mit einer besseren Öffentlichkeitsarbeit, verbesserten Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt einer angemessenen Bezahlung.