Die Menschenrechtsinitiative Medinetz Dresden e.V. vermittelt anonym und kostenlos medizinische Hilfe für Geflüchtete und Menschen ohne Aufenthaltsstatus.

website:
https://www.medinetz-dresden.org/


Wie sieht dein (Arbeits-)Alltag momentan aus und was hat sich verändert?

Zur Zeit findet unsere monatliche persönliche Sprechstunde nicht statt und PatientInnen erreichen uns nur per Telefon. Im Gespräch fragen wir die Kernsymptome der Coronainfektion ab, bevor wir Arzttermine vermitteln. Neben diesen Veränderungen arbeiten die mit uns kooperierenden Praxen momentan natürlich auch anders. Terminvergaben sind häufig schwierig weil oft nicht abzusehen ist ob bereits vereinbarte Termine wahrgenommen werden und es Begrenzungen für Personenanzahlen im Wartezimmer gibt. Persönliche Begleitung von unseren PatientInnen oder mit unter notwendige Begleitung durch DolmetscherInnen ist nicht unbedingt erschwert, aber erfordert zusätzliche Planung und Kommunikation.
Unsere Plena innerhalb des Vereins finden derzeit virtuell statt, was auf jeden Fall eine neue Erfahrung ist, aber nicht an das gemeinsame Zusammensitzen bei Essen und Tee rankommt.


Wie erlebt Ihr den Umgang  mit Patient*innen in der momentanen Lage?

Abgesehen von den organisatorischen Umständen, die einfach grad etwas anders sind, hat sich die direkte PatientInnen-Arbeit eigentlich kaum verändert.

 


Fehlt es an etwas? Was sind gerade die größten Probleme?

In der Lebensrealität marginalisierter Gruppen, die zu unserem PatientInnen-Klientel gehören, zeigen sich im Besonderen jetzt, riesige Missstände auf. Fehlende Testmöglichkeiten für Menschen ohne Krankenversicherung, fehlende Unterbringung für Wohnungslose, sodass das Einhalten einer Quarantäne gar nicht realisierbar ist und die generelle Nicht-Teilhabe an Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus aus Angst vor Ausweisung, verschärfen die sowieso schon prekäre Situation vieler Menschen zusätzlich.


Macht Ihr euch Sorgen im Arbeitsalltag oder bezogen auf die Zukunft?

Menschen ohne Krankenversicherung, Wohnungslose und Menschen ohne Aufenthaltsstatus sind schon im Regelfall unterversorgt. In der Krise geraten sie noch weiter ins Hintertreffen. Jetzt gerade sehen wir dass Diskriminierung den Einzelnen krank macht und gleichzeitig die Gesundheit der gesamten Gesellschaft gefährdet. Im Falle unseres Hauptklientels, sogenannten Illegalisierten, heißt das konkret dass Menschen sich nicht testen lassen, aus Angst vor Polizeikontrollen auf dem Weg dahin, aus Angst vor Ausfall des Einkommens im Fall einer Quarantäne oder aus Angst vor Weitergabe von Informationen an das Gesundheitsamt. Neben dem persönlichen Risiko für die Menschen selbst, birgt dies in Zeiten einer Pandemie ein Risiko für die gesamte Gesellschaft, da Infektionsfälle, die nicht von Ämtern registriert werden steigen und so Infektionsketten nicht verfolgt werden können.
Egoismus, der zuvor das Einzelschicksal gekonnt ignorieren konnte, gefährdet jetzt sogenannte Risikogruppen innerhalb der Gesellschaft.


Habt Ihr Forderungen oder Ideen für ein Gesundheitssystem nach Corona? Was sollte sich langfristig ändern?

Unsere Forderungen an das deutsche Gesundheitssystem sind die selben wie zuvor. Wir fordern einen niedrigschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung für alle, unabhängig von Versicherungs- und Aufenthaltsstatus.
Konkrete Forderungen sind die Einführung der “Gesundheitskarte für alle” in Sachsen und die Abschaffung des §87 Aufenthaltsgesetz um die Übermittlungspflicht des Gesundheitsamtes an die Ausländerbehörde auszuschalten.
Außerdem solidarisieren wir uns mit der Seebrücke und vielen weiteren und fordern die Evakuierung der griechischen Inseln.