PJ-Student, Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, Eberswalde


Wie erlebst Du den Umgang  mit Patient*innen in der momentanen Lage

Anonymer, da wir Mitarbeiter*innen jederzeit Maske tragen. Jede Patient*in bekommt bei uns auch eine Maske und da ärgere ich mich manchmal auch schon wenn sie die nicht tragen während ich bei ihnen im Zimmer bin. Insbesondere in den Köpfen älterer Menschen scheint Corona bisher immer noch nicht als Gefahr angekommen zu sein. Dadurch, dass die Station merklich leerer ist, haben wir potentiell mehr Zeit für unsere Patient*innen. Andererseits sind wir momentan neben ihren Zimmernachbar*innen auch die einzigen zu denen sie aufgrund des Besuchsverbots für Angehörige und Freund*innen Kontakt haben.


Fehlt es an etwas? Was sind gerade die größten Probleme?

Uns Mitarbeiter*innen fehlen ein wenig Momente des gemeinsamen Miteinanders wie eine gemeinsame Mittagspause. Viel härter ist es aber für die Patient*innen, die keinen Besuch kriegen können und so weitestgehend allein, teilweise Wochen lang, in kleinen Zimmern sind.


Wie sieht Dein (Arbeits-)Alltag momentan aus und was hat sich verändert?

Ich arbeite als PJ-Student mit auf einer Station für Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie in Eberswalde im Nordosten Brandenburgs. Ich bin dort erst seit Anfang März, daher war Corona von Anfang an ein Thema. Wir haben jetzt deutlich weniger Eingriffe. Sogenannte elektive Operationen wie Leistenbrüche oder Schilddrüsenknoten sind auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Diese Patient*innen wären aber sowieso nicht lange im Krankenhaus, so ist unsere Station trotzdem recht gut gefüllt mit Menschen mit Krebserkrankungen, Darm- oder Gefäßverschlüssen.


Was wünscht Du Dir aktuell? Könnte etwas besser laufen?

Ich habe unser Haus als recht besonnen im Umgang mit Corona erlebt. Wir haben schon sehr früh den gesamten Krankenhausbetrieb heruntergefahren. Manchmal hätte die Kommunikation gegenüber uns Mitarbeiter*innen besser laufen können. Verfahren, wer wann abzustreichen ist oder gar zuhause bleiben musste gab es eigentlich, aber es wurde recht häufig davon abgewichen, was dann immer wieder mal zu Unmut bei Mitarbeiter*innen, denen das knappe Gut Test nicht zu Teil wurde, führte. Auch war man etwas intransparent über vorhandene Schutzausrüstung und Testkapazitäten. Unser Haus ist in kommunaler Trägerschaft und ich hoffe, dass es finanziell einigermaßen stabil durch die Krise kommt und nicht an einen Investor geht.


Machst Du Dir Sorgen im Arbeitsalltag oder bezogen auf die Zukunft?

Weniger wegen Corona, sondern wegen des Klimawandels und der momentanen Erosion des europäischen Zusammenhalts. Ab und an habe ich die mulmige Angst, wie viele Leute ich anstecken könnte wenn ich unbemerkt infiziert wäre.


Hast Du Forderungen oder Ideen für ein Gesundheitssystem nach Corona? Was sollte sich langfristig ändern?

Corona macht für mich einen Aspekt gerade sehr deutlich.

Ich wünsche mir wirklich sehr, dass wir in der Breite der Bevölkerung mehr darüber diskutieren, wie wir uns unser selbstbestimmtes Lebensende vorstellen. Aus Gesprächen mit Kolleg*innen, die direkt COVID-Patient*innen behandeln bekomme ich das Bild, dass es sich bei den kritisch Kranken ausschließlich um alte und ernsthaft chronisch kranke Patient*innen handelt. Menschen, für die der Tod eigentlich gar keine so abwegige Sache auch ohne Corona wäre. Aus meinem Familienkreis, aber auch vielen Gesprächen, die ich im Laufe meines Studiums mit Patient*innen geführt habe, habe ich sehr stark den Eindruck, dass viele von ihnen ein großes Unbehagen gegenüber Maximaltherapie am Lebensende haben. Aber das wird noch zu wenig festgeschrieben, für die meisten ist es eher ein Thema worum man einen Bogen macht oder dies mal kurz im Gespräch mit der Familie anschneidet. Ich wünsche mir, dass wir allen Menschen einfachere, leichter zugängliche, barrierefreie und rechtssichere Möglichkeiten geben im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten selbst zu bestimmen wie sich unser Gesundheitswesen in häufig unübersichtlichen und unvorhergesehenen Krankheitsfällen um sie kümmert.

Ansonsten bin ich sehr gespannt auf die digitale Patient*innenakte, die uns hoffentlich mehr Zeit für Patient*innen lässt, weil wir nicht mehr Medikamentenplänen und CT-Bildern hinterhertelefonieren müssen. Profitinteressen sollen sich bitte aus dem Gesundheitssystem verabschieden, aber wie wir die Ressourcen gerecht verteilen, dass scheint leider noch nicht erdacht.