In der DDR kam es zu Zwangseinweisungen von Mädchen und Frauen ab dem 12. Lebensjahr in geschlossene Venerologische Stationen (Venerologie: Lehre von den Geschlechtskrankheiten). Die stationäre Aufnahme erfolgte häufig ohne jegliche medizinische Indikation und diente primär der Umerziehung der Frauen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ durch Maßnahmen einer politisierten Medizin. In einem hierarchisch organisierten Terrorsystem wurden die Zwangseingewiesenen durch medizinische Eingriffe und Behandlungen körperlich wie psychisch gedemütigt und traumatisiert. Viele der Betroffenen leiden bis heute unter den Spätfolgen der Disziplinierungsmaßnahmen und Misshandlungen (u.a Angst vor Gynäkologen und Ärzten, Inkontinenz und sexuelle Inappetenz).
Lange Zeit wurden die Frauen nicht ernst genommen und über die Geschehnisse weitestgehend geschwiegen. Und obwohl seit Sommer 2016 die Unterbringung in den geschlossenen Venerologischen Stationen in mehreren Urteilen von Landes- und Oberlandesgerichten teilweise für rechtsstaatswidrig erklärt wurde, fehlt weitestgehend das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Unrecht, das tausenden Frauen widerfahren ist. Um einen Beitrag dazu zu leisten, die Thematik präsenter zu machen, haben wir die AG Initiative zur Aufarbeitung der venerologischen Stationen der DDR gegründet. Im Sommer 2018 haben wir einen Vortrag von Herrn Prof. Steger organisiert, dessen intensive Forschung in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung dieses SED-Unrechts darstellt und der bereits ein Buch mit dem Titel „Traumatisierung durch Politisierte Medizin“ veröffentlicht hat. Der Vortrag wurde von einem Kommentar des sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Lutz Rathenow begleitet. Da der Vortrag auf großes Interesse stieß, konnten wir Herrn Prof. Steger im darauffolgenden Jahr nochmals dafür gewinnen, uns seine neusten Forschungsergebnisse vorzustellen. Außerdem hat sich eine Zeitzeugin dazu bereit erklärt, in Form eines Gesprächs mit Frau Neumann-Becker, der Landesbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, einen Einblick in ihre Erlebnisse zu gewähren. Der MDR hat über diese Veranstaltung einen Beitrag verfasst.
Da wir der Meinung sind, dass der Missbrauch von Menschen unter medizinischem Vorwand für uns als Medizinstudierende und potentielle zukünftige Ansprechpartner der Betroffenen von besonderer Relevanz ist, setzen wir uns außerdem dafür ein, dass die Thematik in den Lehrplan an unserer Fakultät aufgenommen wird.